Gespenstische Europatour

Terek Grosny hat sich als russischer Pokalsieger für den Uefa-Cup qualifiziert. Der Verein, dessen Präsident als skrupelloser Chef einer moskautreuen Miliz in Tschetschenien bekannt ist, gastiert morgen beim FC Basel

BERLIN taz ■ Das letzte Mal, dass das Dinamo-Stadion in Grosny ausverkauft meldete, war am 9. Mai 2004. An diesem Tag feierte das offizielle Tschetschenien mit einer Militärparade den Jahrestag des Sieges über Deutschland – bis eine Bombe den moskautreuen Präsidenten Ahmad Kadyrow tötete. Kadyrow war auch Präsident des Fußballvereins Terek Grosny, der schon lange nicht mehr im kriegsversehrten Stadion der Hauptstadt spielt.

Nachfolger des Staatsoberhauptes an der Vereinsspitze wurde sein Sohn Ramsan. Unter ihm hat der Tschetschenien-Konflikt den europäischen Fußball erreicht: Am Donnerstag erwartet der FC Basel im Uefa-Cup einen Verein, der nach Kaukasuskriegen aus politischen Gründen reanimiert wurde und dessen Präsident als Befehlshaber einer Miliz die tschetschenische Bevölkerung terrorisiert.

Beim Hinspiel in Moskau wurde deutlich, dass Terek Grosny kein normaler Verein ist. 500 „Fans“ wurden in einem verplombten Zug aus Tschetschenien herbeigeschafft und bejubelten artig ein 1:1. Die etwa 100.000 in Moskau lebenden Tschetschenen waren zu Hause geblieben. Kein Wunder: In der Mannschaft spielen fast nur russische Spieler jenseits der 30, die für Terek zusammengekauft wurden.

Politische Einflussnahme im Fußball ist sicher keine Erfindung Wladimir Putins, der den Verein aus Mitteln des Kreml mitfinanziert. Nach dem „Anschluss“ Österreichs erhielt Reichstrainer Sepp Herberger die Anweisung, für die WM 1938 fünf österreichische Spieler ins Nationalteam zu integrieren. Und in der Nachkriegszeit ließen die Franzosen Saarbrücken in ihrer Zweiten Liga kicken, um den Anspruch auf das besetzte Saarland zu untermauern.

„Ich habe die Rolle des friedlichen tschetschenischen Fußsoldaten gut gespielt“, sprach Stürmer Andrei Fedkow nach seinem Tor im russischen Pokalfinale, durch das sich Grosny für den Uefa-Cup qualifizierte.

Das Skandalöse an Grosny ist die Person des Präsidenten. Ramsan Kadyrow, 28, befehligt eine Miliz, deren Stärke je nach Quelle zwischen 1.500 und 6.000 Mann liegt. Er tritt gerne mit Kampfhunden in Erscheinung und ist als Stellvertreter Präsident Alu Alchanows der eigentliche starke Mann des Landes. Menschenrechtsorganisationen werfen seiner Truppe Entführungen, Morde und Vergewaltigungen vor. Die Journalistin Anna Politkowskaja berichtete im Deutschlandfunk von Folterungen in Kadyrows Hauptquartier, bei denen Wahlhelfern unabhängiger Präsidentschaftskandidaten die Haut vom Rücken abgezogen wurde.

Rebellenführer Schamil Bassajew, der früher selbst im Verein gespielt haben soll, ist das egal. „Sie können Terek in eine Top-Division stecken, doch unser Dschihad wird nicht an Kraft verlieren“, hieß es auf seiner Internetseite.

Die Partie abzusagen, wie es ein Leserbrief in der Basler Zeitung anregte, stand nicht zur Diskussion. Die Verbände beharren auf dem apolitischen Charakter des Fußballs. Eines der wenigen Beispiele dafür stammt übrigens aus der Sowjetunion: Die UdSSR weigerte sich in der WM-Qualifikation 1974, im Nationalstadion von Santiago anzutreten, weil dort nach dem Sturz Pinochets gefoltert wurde – und sah sich für das Turnier in Deutschland disqualifiziert.

MALTE OBERSCHELP